Alles begann mit der Juul und einem bereits 2014 angemeldeten Patent von Adam Bowen, einem der Günder von Pax Labs, später in Juul Labs umbenannt. Die Juul, ein durchaus solides kleines Podsystem, das aber eigentlich keine Besonderheiten aufweist, startete mit für das Dampfen bis zu diesem Zeitpunkt völlig absurder Nikotinstärke von fast 60mg/ml.

Die Kontroverse um die Juul führte nicht nur zu massenhaften Presseberichten und einen explosionsartigen Wachstum der Firma, die angeblich ca. 70% der US Vaping Marktes beherrscht, sondern machte auch Nikotinsalze, im englischen „nicotine salts“ oder kurz „nic salt“ zu einem der größten Trends in 2018, der sich 2019 ungebremst fortzusetzen scheint. Auch wenn die Juul in Europa dank Tabakrichtlinie mit nur 20mg/ml in den Pods kaum für so viel Wirbel sorgen dürfte wie in den USA, Nikotinsalze verkaufen sich wie geschnitten Brot und das nicht selten zum doppelten Preis eines „normalen“ Nikotinshots mit Freebase Nikotin.

Was ist überhaupt Nikotinsalz?

Nikotinsalz ist eigentlich die natürlich Form von Nikotin. Die Tabakpflanze produziert Nikotin, das basisch bzw. alkalisch ist. Um den PH Wert in der Pflanze stabil zu halten wird zusätzlich eine Säure produziert, die den PH Wert absenkt. Bei der Extraktion aus der Pflanze wird nur das Nikotin entzogen, also unser allseits bekanntes Freebase Nikotin oder freies Nikotin.

Um den Effekt in der Tabakpflanze zu imitieren, setzt man bei der Herstellung von Nikotinsalzen eine Säure ein, meist Benzoesäure. Sie senkt den PH Wert des Nikotins. Streng genommen ist Nikotinsalz also in seiner Form natürlicher als unsere althergebrachte Variante, zumindest was den PH Wert angeht.

Nic Salt ist kein Salz, es ist nicht kristallin, keine Salzkristalle o.ä., man schüttet einfach freies Nikotin und Benzoesäure in einem Verhältnis von etwa 1:0,8 zusammen und erhält damit gebundenes, ionisiertes Nikotin. Die Herstellung ist kein Geheimnis, lediglich das genaue Mischverhältnis mit Säure und die Art der Säure können von Hersteller zu Hersteller variieren. Entgegen anderslautender Gerüchte darf Base mit Nikotinsalz auch mit Base mit freiem Nikotin beliebig gemischt werden.

Welche Vorteile hat Nikotinsalz?

Unstrittig ist, dass Nikotinsalz für weniger Reizungen im Rachen und der Lunge sorgt, das der PH Wert dem natürlichen PH Wert des Körpers näher kommt. Das bedeutet in gleicher Dosierung weniger Throat Hit. Rein vom Gefühl dampft sich ein 24er Nikotinsalz wie ein 12er Freebase, wobei die Nikotinmenge bei 24er Nikotinsalz ebenso 24mg/ml ist, es fühlt sich nur „weicher“ an. Wem sein Liquid also zu kratzig oder hart erscheint, aber die Nikotindosierung nicht herabsetzen will, findet hier eine Lösung.

Ebenfalls ideal sind Nikotinsalze für das kurze Dampfen zwischendurch, wenn es schnell gehen muss und große Wolken unangebracht sind oder das Dampfen eigentlich nicht gestattet ist. Die europäische Obergrenze von 20mg/ml macht diesen Vorteil aber weitestgehend zunichte.

Der größte Vorteil ist stark umstritten. Hersteller wie Juul oder Nicotine River behaupten, Salt Nic würde viel schneller anfluten und damit eher wie eine Zigarette wirken, Rauchern den Umstieg besonders erleichtert. Klingt gut, widerspricht nur leider der dem aktuellen Stand der Wissenschaft, der überaus üppig dokumentiert ist. Alle Wissenschaftler sagen nämlich klar, dass das durch die Säure nicht mehr lipophile (und somit hydrophobe) sondern hydrophile (und somit lipophobe) geladene Nikotinmolekül wesentlich schlechtere Karten hat, Zellmembrane zu durchdringen, was für eine Aufnahme in den Blutkreislauf und das Erreichen des Gehirns der Knackpunkt ist. Das Nikotinsalz nutzt nicht die Autobahn, sondern eher die Nebenstraße, das das schneller ist, darf zumindest bis zur Bestätigung des Messungen von Pax Labs durch eine unabhängige Studie bezweifelt werden.

Welche Nachteile hat Nikotinsalz?

Der für jeden direkt sichtbare Nachteil ist der Preis, Nic Salt Shots gehen im Schnitt für ca. 1€ mehr pro 10ml über den Tisch als herkömmliche Shots. Statt knapp 1€ bis 2€, sieht man Nikotinsalz Shots mit 20mg/ml eher zwischen 2€ und 3€. Online, im Offliner konnte ich schon Preise um 4€ sehen. Das, obwohl Benzoesäure (E210) spottbillig ist, der 25kg (Kilo!) Sack kostet im Chemikalienhandel etwa 250€, macht umgerechnet weniger als 1 Cent pro 10ml Shot effektive Kosten unter der Annehme eines Mischverhältnisses von 50:50. Anders gesagt: Nic Salt ist in der Produktion nicht teurer als Freebase Nikotin. Bitte keine Eigenexperimente zu Hause, aber ein Labor braucht man dafür nicht.

Wirklich problematisch ist die Benzoesäure, eigentlich bei Inhalation als harmlos zu sehen, wenn sie stärker erhitzt wird, denn dann entsteht Benzol. Ein wenig lustiger Stoff, stark krebserregend, hochtoxisch. Bezüglich der Mengen in normalen Liquids, gibt einer der führenden E-Zigaretten Experten Dr. Farsalinos Entwarnung , Dampfen mit Nikotinsalzen bei hohen Temperaturen sollte man aber kritisch hinterfragen.  Nicht schädlicher als Rauchen, aber im Vergleich zum bewährten freien Nikotin doch eine Hausnummer.

Des Weiteren liest man immer wieder von Nutzern, die bei der Verwendung von Nic Salt vermehrt husten müssen, ein Problem das andere bei PG, wieder andere bei speziellen Aromen wie Banane haben, Einzelfälle die nicht auf einen generellen Nachteil schließen lassen.

Mein persönliches Fazit:

Ich spüre bei 20mg/ml Nikotinsalz einen deutlich verminderten Throat Hit, der nicht mal an 12mg/ml Freebase heranreicht, eher wie 6-9mg/ml. Als ehemaliger Raucher finde ich das wenig zielführend, denn genau dieses Gefühl, dass der Dampf angekommen ist, will ich haben und nicht verringern.

Was die Anflutung angeht, konnte ich mit der deutschen Juul mit 20mg/ml  Liquid im Eigenversuch keinerlei Unterschied zu einem Podsystem mit 18mg/ml freiem Nikotin in der Base feststellen. Kein magisches Gefühl im Kopf, kein „Nicotine Rush“.

Den einzigen Sinn den ich sehe, ist die kurzfristige Zuführung von möglichst viel Nikotin beim „Stealth Vaping“ oder in Situationen, wo keine Zeit für mehr als eine Hand voll Züge ist. Dann aber auch nur mit Dosierungen wie bei der US Juul, wo auch der verringerte Throat Hit Sinn macht, denn knapp 60mg/ml könnte niemand als Freebase dampfen.